Presseinformation – Nr. 01/2019

Diesel-Abgase: Nach und nach europaweit schärfere Kontrollen Partikelanzahlmessung startet 2019 in den Niederlanden, in Deutschland ab 2021

Dübendorf (Schweiz), 14. März 2019 – Europaweit wird die Abgasmessung bei Diesel-Pkw nach und nach verschärft. Ab diesem Jahr schrittweise in den Niederlanden und Belgien, ab 1. Januar 2021 auch in Deutschland wird die Zahl der Partikel im Abgasstrom zunächst von Diesel-Pkw mit einer neuen Endrohr-Prüfung („Auspuff“) kontrolliert. Auch in Spanien und der Schweiz wird bereits darüber debattiert, das neue Verfahren einzuführen.  Mit dem Test ist es erstmals möglich, schnell und einfach defekte oder manipulierte Diesel-Partikel-Filter zu entdecken.  Eine europaweite Arbeitsgruppe unter Leitung des deutsch-schweizerischen Verbands VERT hat das Verfahren erarbeitet und will weitere Länder dazu veranlassen, ihre Abgaskontrollen mit diesen strengeren Anforderungen durchzuführen. Beteiligt an dem Projekt ist auch die Gemeinsame Forschungsstelle der Europäischen Kommission JRC (Joint Research Center) in Ispra/Italien. In VERT sind unter anderem Filter- und Messgerätehersteller organisiert.

Das Projekt wird von der Europäischen Kommission unterstützt. Über eine Umsetzung in nationales Recht entscheidet jedes Land. Eine Verpflichtung dazu gibt es nicht.  Bei dem neuen Verfahren wird mit einer Sonde im Endrohr („Auspuff“) die Zahl der Partikel im Abgasstrom bestimmt. Überschreitet ein Wagen den Grenzwert von 250.000 Partikeln pro Kubikzentimeter gilt ein Filter als defekt. Er muss repariert oder ausgetauscht werden. Da die Abgasgesetzgebung die Vorschrift enthält, dass die Hersteller beim Pkw die Funktionstüchtigkeit der Partikelfilter während der ersten 160.000 km oder bis zu 5 Jahren garantieren müssen (sog. Emission Durability Period nach 2005/78/EG), dürften diese Kosten vom Hersteller übernommen werden. Die Messung soll in Deutschland während der alle zwei Jahren verbindlichen Hauptuntersuchung erfolgen. Seit 2005 war es üblich, dass die Abgasreinigung bei entsprechend ausgestatteten Autos per Software über das OBD-Modul (On-Board-Diagnostik) geprüft wurde. Dazu verband der Prüfer die OBD über einen Stecker und las den Fehlerspeicher aus.  Wenn dieser keinen Defekt anzeigte, galt die Abgasreinigung als intakt. Im Zuge der Debatte um Manipulationen an Dieselfahrzeugen geriet diese Methode in die Kritik.  Zum 01. Januar 2018 führte die Bundesregierung in Deutschland die Endrohrprüfung für Diesel-Fahrzeuge wieder ein. Derzeit wird die Opazität (Trübung) des Abgasstroms bestimmt. Der neue Messwert Partikelanzahl ab 1.Januar 2021 gilt als deutlich genauer.

Deutschland: Etwa 1,5 Millionen Diesel mit defektem Partikelfilter - Live-Abgastest: Bis zu 20.000-mal höhere Emissionen bei schadhafter Abgasreinigung

Neue Systeme, zum Teil auch Handgeräte, für die Partikelanzahlmessung wurden heute erstmals am Rande einer Konferenz („VERT-Forum“) an dem Schweizer Forschungsinstitut EMPA in Dübendorf/Schweiz vorgestellt. Bei Live-Abgastests wurde deutlich, dass PKW mit defektem Filter bis zu 20.000-mal mehr Partikel emittieren als Wagen mit einer intakten Abgasreinigung. Die Messung betrifft etwa 15 Millionen Diesel-PKW in Deutschland. Stichproben deuten darauf hin, dass etwa zehn Prozent der Partikelfilter defekt sind. In zwei Jahren müssen also etwa 1,5 Millionen Autofahrer in Deutschland ihre Filter austauschen oder reparieren lassen.  Die neu entwickelten Messgeräte, die erstmals die oft ultra-feinen Partikel zuverlässig zählen, stehen kurz vor der Zulassung. Die Physikalisch-Technische Bundesanstalt in Braunschweig und weitere Institute werden an der Zertifizierung arbeiten.

VERT als Initiator: Zahlreiche Projektpartner in Deutschland, der Schweiz, den Niederlanden – Auch Forschungsstelle der Europäischen Kommission beteiligt

Das neue Verfahren wurde von VERT initiiert. Größte Herausforderung, so Andreas Mayer, wissenschaftlicher Leiter von VERT, war es, ein schnelles, einfaches und manipulationssicheres Verfahren zu entwickeln.  VERT arbeitet seit 2016 mit zahlreichen Projektpartnern zusammen. Dazu zählen die TÜV Süd AG (München), die niederländische Forschungsinstitution TNO (Den Haag), die deutsche Bundesanstalt für Straßenwesen (Bergisch-Gladbach), die Abgasprüfstelle AFHB des Kantons Bern in Biel, die Gemeinsame Forschungsstelle der Europäischen Kommission JRC (Joint Research Center) in Ispra/Italien sowie zahlreiche Messgerätehersteller. Hohe Feinstaubwerte gelten unter führenden Biologen und Umweltmedizinern als immens gefährlich. Insbesondere ultra-feine Partikel geraten, so die Wissenschaftler, über die Lunge in die Blutbahn und führen zu Reizungen etwa im Herz oder im Gehirn. Schlaganfälle, Herzinfarkte und auch Demenz gelten als mögliche Folgen. Ultrafeine Partikel werden von vielen Wissenschaftlern als gefährlicher eingeschätzt als die zuletzt intensiv diskutierten Stickoxide. Ein intakter Diesel-Partikel-Filter reinigt den Abgasstrom um mehr als 99 Prozent. Die Abgase sind so häufig sauberer als die für den Verbrennungsprozess angesaugte Umgebungsluft.

Projektgruppe plant auch Messung an Benzinern sowie von Stickoxiden

Noch nicht geprüft werden derzeit die Partikel-Emissionen von Benzin-getriebenen PKW sowie die Konzentration der Stickoxide von Dieselmotoren mit Entstickungskatalysatoren. Auch hier arbeitet das VERT-Netzwerk an entsprechenden Lösungen mit den Partnern. Einen Zeitpunkt für die Einführung gibt es noch nicht.

Neue Endrohrmessung bei Diesel-PKWs:  Schneller Test bei TÜV, Dekra und zugelassenen Werkstätten

Werkstätten und Prüfinstitute müssen neue Geräte anschaffen oder vorhandene mit neuen Modulen ergänzen. Für den Autofahrer dürfte sich wenig ändern. „Der Test dauert nur 2-3 Minuten“, betont tont Andreas Mayer vom VERT-Verband. Diesel-Partikel-Filter können durch Alterung, Katalysatorvergiftung, Fehler der vom Hersteller gewählten Regenerationsstrategie oder auch durch Manipulationen durch PKW-Besitzer den Grenzwert überschreiten. „In manchen Fällen werden Reparaturen nicht möglich sein. Das bedeutet dann, dass die Filter ausgetauscht werden müssen“, betont VERT-Experte Mayer. Der Austausch eines defekten Partikelfilters oder einer ganzen Auspuffanlage könne mehr als 2.000 Euro kosten. „Manipulation am Filter, wie das Aufbohren, werden somit teuer.“